Rauchen am Arbeitsplatz?

11.09.2006 (aus Soli aktuell 11/02, Seite 6, Autor: Wolf-Dieter Rudolph)

Ist nicht mehr ohne Weiteres möglich: Ab sofort findet sich der Nichtraucherschutz in der Arbeitsstättenverordnung wieder. Bislang wurden Regelungen gegen das Rauchen im Betrieb freiwillig getroffen oder von Nichtrauchern über die Gerichte eingeklagt. Ein Gesetz und die Folgen.

Seit vielen Jahren ist unstrittig, das Tabakrauch die Gesundheit gefährdet - leider anscheinend auch die der "Mitraucher". Zumindest im Dienst hatten es Passivraucher bisher schwer, vom Arbeitgeber die Durchsetzung ihres Schutzes zu verlangen. So bestand und besteht nach wie vor bei der Ausübung bestimmter Tätigkeiten aus hygienischen Gründen (zum Beispiel Fleischverarbeitung) oder in Gefahrenbereichen zur Vermeidung von Bränden und Explosionen (zum Beispiel Verarbeitung brennbarer Flüssigkeiten) ein absolutes Rauchverbot aufgrund von Rechtsvorschriften, deren Missachtung sogar eine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses zur Folge haben kann.

Mit der Arbeitsstättenverordnung (§ 32) war der Arbeitgeber bisher lediglich verpflichtet, in Pausen-, Bereitschafts- und Liegeräumen geeignete Maßnahmen zum Schutz der Nichtraucher zu treffen. Ansonsten konnte der Arbeitnehmer lediglich in ganz eingegrenzten Ausnahmen die Verhängung eines generellen Rauchverbotes verlangen, da es keine Rechtsgrundlage für einen solchen schweren Eingriff in das per Verfassung geschützte Persönlichkeitsrecht gab. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) hatten Arbeitnehmer nach § 618 BGB nur dann einen Anspruch auf einen tabakfreien Arbeitsplatz, wenn sie konkret durch ein ärztliches Attest belegen können, dass zum Beispiel eine chronische Erkrankung der Atemwege vorliegt.

Das war einmal! Laut Gesetzgeber hat neuerdings jeder Arbeitnehmer einen Anspruch auf einen rauchfreien Arbeitsplatz. Im Sommer 2002 segnete der Bundesrat einen von allen Bundestagsfraktionen getragenen Antrag ab, der die Arbeitsstättenverordnung ergänzt - Wortlaut:

(1) Der Arbeitgeber hat die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit die nicht rauchenden Beschäftigten in Arbeitsstätten wirksam vor den Gesundheitsgefahren durch Tabakrauch geschützt sind.
(2) In Arbeitsstätten mit Publikumsverkehr hat der Arbeitgeber Schutzmaßnahmen nach Absatz 1 nur insoweit zu treffen, als die Natur des Betriebes und die Art der Beschäftigung es zulassen.
Klartext: Fast jeder Arbeitnehmer kann einen rauchfreien Arbeitsplatz gegenüber seinem Arbeitgeber mit gerichtlicher Hilfe durchsetzen. Fast jeder, weil bei Publikumsverkehr, wie zum Beispiel in Gaststätten, aufgrund der Zumutbarkeit weniger aufwändige Schutzmaßnahmen des Arbeitgebers für erforderlich gehalten werden. Von daher haben Kellner-Azubis nicht so gute Karten wie angehende Telekommunikationstechniker in einer betriebsinternen Ausbildungswerkstatt.

Aber für die Raucher brechen trotzdem keine völlig tabaklosen Zeiten an. Natürlich unterliegen Einführung und Durchsetzung innerbetrieblicher Rauchverbote der Mitbestimmung des Betriebsrates (§ 87 Abs.1 S.1 BetrVG) bzw. Personalrates (§ 78 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG bzw. der Vorgaben der jeweiligen Landespersonalvertretungsgesetze), da hier in jedem Fall das betriebliche Ordnungsverhalten betroffen ist. Der Arbeitgeber ist zwar verpflichtet, Schutzmaßnahmen durchzuführen, über die Ausführung muss aber mit dem Betriebs-/Personalrat eine Einigung erzielt werden. Im Rahmen dieses Prozesses kann und soll natürlich auch die Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV) ihre Vorstellungen einbringen.

Bei der Durchsetzung der Antirauchverordnung haben die Betriebspartner durchaus einen nicht zu unterschätzenden Spielraum, der von der Einrichtung räumlich getrennter Arbeitsplätze für Raucher/Nichtraucher bis zum Rauchverbot bei möglichem Rauchen auf dem freien Gelände mit oder ohne Ausstempeln reicht - eine Betriebsvereinbarung mit der zuvor genannten Beschränkung für Raucher wurde übrigens bereits bei alter Rechtslage von den deutschen Arbeitsgerichten gebilligt (vgl. BAG Urteil v. 19.1.1999, 1 AZR 499/98).

Können sich Betriebsrat und Arbeitgeber nicht über die Ausgestaltung einer innerbetrieblichen Regelung verständigen, muss die für den Arbeitgeber recht teure Einigungsstelle über den Inhalt der Betriebsvereinbarung und über den Umfang der durchzuführenden Maßnahmen für beide Seiten entscheiden.

Übrigens: Nicht geregelt ist das Problem des Rauchens in Betriebs- und Personalratssitzungen bzw. in JAV-Sitzungen! Hier sollten die Raucher die Forderungen der Nichtraucher unbedingt berücksichtigen (zum Beispiel Rauchen nur außerhalb des Sitzungsraumes während der Pausen), um sich nicht im "worst case" entsprechende Verfügungen des Gerichts einzufangen. Mitgliedern kommunaler Gremien (zum Beispiel Stadträte), deren Lage vergleichbar ist, wurde vom Gericht ein Anspruch auf Erlass eines Rauchverbots durch den jeweiligen Vorsitzenden zugestanden. Soweit muss es ja nicht kommen.

Letzte Änderung: 09.04.2008