Betriebsrat: Verkürzte Mitbestimmung?

13.09.2006 (aus Soli aktuell 2/04, Seite 6, Autor: Wolf-Dieter Rudolf)

Oftmals ungeklärt: Wann im Jugendbereich mitbestimmt wird und wann nicht, ist bei den Gerichten bis heute nicht sicher.

Der Betriebsrat hat gemäß § 98 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) ein Mitbestimmungsrecht, wenn Maßnahmen der betrieblichen Berufsbildung durchgeführt werden sollen. Allerdings haben die Arbeitnehmervertreter keinen Einfluss darauf, ob die Arbeitgeber überhaupt Berufsbildungsmaßnahmen, auch solche der betrieblichen Berufsausbildung, anbieten. Nach herrschender Meinung entscheidet der Arbeitgeber auch alleine darüber, welche finanziellen Mittel für die Durchführung von Berufsbildungsmaßnahmen bzw. der Berufsausbildung zur Verfügung stehen.

Umstritten ist hingegen, inwieweit die Festlegung des Zweckes und des Adressaten- oder Teilnehmerkreises mitbestimmungspflichtig ist - leider existiert hierzu genauso wenig höchstrichterliche Rechtsprechung wie zu der Frage, ob dem Betriebsrat auch ein Mitbestimmungsrecht dann zusteht, wenn der Arbeitgeber eine generelle Verkürzung der angebotenen Berufsausbildung einführt. Die Möglichkeit, die Berufsausbildung bereits vor Beginn zu verkürzen, ergibt sich aus § 29 Abs. 2 Berufsbildungsgesetz (BBiG).

In dem vom Landesarbeitsgericht (LAG) Köln am 11. April 2003 (Az.: 4 Ta BV 89/02) entschiedenen Fall hatte der Ausbildungsbetrieb die Entscheidung getroffen, die Ausbildung der Industriekaufleute generell nur noch als 2 1/2-jährigen Ausbildungsgang anzubieten. Vorrangiges Ziel der Entscheidung: bereits bei der Ausbildung die Qualifikation und die Weiterqualifizierbarkeit der (zukünftigen) Arbeitnehmer im stärkeren Maße als bisher zu sichern (zu diesem Zweck wurde der Kreis der Azubis auf Bewerber mit guter schulischer Vorbildung beschränkt) - und natürlich auch finanzielle Einsparungen.

Das LAG hat hier ein Mitbestimmungsrecht verneint, da nach Auffassung der Kölner Richter die Entscheidung, ob eine drei- oder nur eine 2 1/2-jährige Berufsausbildung durchgeführt wird, eine solche Nähe zu der Frage der Gestaltung der Ausbildung und zur finanziellen Ausstattung hat, dass der Betriebsrat außen vor bleiben muss.

Anscheinend war sich das Gericht seiner ablehnenden Entscheidung aber doch nicht sicher: Ausdrücklich wurde eine mögliche Überprüfung durch das Bundesarbeitsgericht eingeräumt. Die Richter weisen darauf hin, dass die Frage angesichts des Streits innerhalb der rechtswissenschaftlichen Literatur klärungsbedürftig erscheint.

Fazit: Solange keine höchstrichterliche Klärung vorliegt, sollte offensiv auf dem Mitbestimmungsrecht bestanden werden. In der Praxis hat man hier unter Umständen - durch die auch für die Arbeitgeberseite vorliegende Rechtsunsicherheit - ein bisschen Verhandlungsmasse, um damit andere Ziele durchzusetzen.

Letzte Änderung: 09.04.2008